Theater

Theatermarketing

Theaterbetriebe, insbesondere öffentlich geförderte, weisen bislang eine nur geringe Marketing- bzw. Markt- und Besucherorientierung auf. Der Kenntnisstand über Einstellungen, Wahrnehmungen und Verhalten der Kulturbesucher ist entsprechend überwiegend gering.

Regelmäßige Besucherbefragungen werden – wenn überhaupt – nur von wenigen Bühnen durchgeführt. Die Studien dienen überwiegend einer vergangenheitsbezogenen Betrachtung und zur Beschreibung des Status-Quo. Die Auswertung und Interpretation erhobener Daten erfolgt mangels personeller und finanzieller Kapazitäten sowie fehlender statistischer Datenverarbeitungsmöglichkeiten häufig nur aufgrund einfacher Häufigkeitsauszählungen. Neben einem unzureichenden Bewusstsein für die strategische Bedeutung von Markt-, insb. aber Besucherinformationen, sind fehlende personelle und finanzielle Mittel die Hauptgründe für geringe Marktforschungsaktivitäten im Kulturbereich.

Die Ziele der drei in 2002 bis 2005 in Berlin/Brandenburg und Hamburg durchgeführten Studien „Publikum im Rampenlicht 2004“ bestanden in der detaillierten Informationsgewinnung über Einstellungen, Wahrnehmungen und Verhalten von Kulturbesuchern zur Verbesserung der Marketing-, insbesondere der kommunikationspolitischen Maßnahmen.

Die Besucherbefragungen wurden mit einem selbst auszufüllenden Fragebogen im Zeitraum März – Juni zeitgleich an bis zu 20 Bühnen (2004) durchgeführt. In der Untersuchung 2004 wurden so insgesamt 14.299 Besucher befragt.

In 2004 war der Besucherbefragung eine qualitative Vorstudie (Gruppendiskussionen) vorausgegangen. Diese diente insbesondere zur Exploration der relevanten Beurteilskriterien für die Spielplanwahrnehmung von Kulturbetrieben, sowie den Besuchmotiven und Einstellungen von Besuchern.

Zur Berücksichtigung qualitativer Angebotsunterschiede wurden die Fragebögen inhaltlich an die Sparten Schauspiel, Konzert, Oper und Ballett angepasst. Separate Fragebogenvarianten berücksichtigten zudem Unterschiede in den eingesetzten Kommunikationsmitteln der Häuser, das regionale Medienangebot sowie die Verkehrsmittelangebote.

Als statistische Methoden kamen u.a. die Faktoren, Cluster- und Regressionsanalyse zum Einsatz.

Standardmäßig erhielten alle Bühnen für ihre Besucherdaten einfache Häufigkeitsauszählungen und Kreuztabellierungen nach sozio-demographischen Merkmalen sowie der Zufriedenheit mit der Bühne und deren Werbung. Soweit sinnvoll, wurden den beteiligten Bühnen darüber hinaus vergleichende Ergebnisse nach unterschiedlichen Sparten (bei Mehrspartenhäusern) und Inszenierungen zur Verfügung gestellt sowie individuelle Auswertungen für interessierende Fragestellungen durchgeführt. Zusätzlich wurden alle beteiligten Bühnen für einen „Betriebsvergleich“ die Ergebnisse aller „Mitbewerber“ zur Verfügung gestellt.
Weitere Auswertungsergebnisse sind u.a.:
Auswertungen zu Besucherwanderungen zwischen einzelnen Bühnen, Sparten und Marktsegmenten.
Besuchertypologie auf der Basis der Gesamtergebnisse und separat für den Berliner Markt sowie darauf aufbauende Datenanalysen.
Positionierung der Bühnen in einem gemeinsamen Wahrnehmungsraum .
Auf Wunsch konnten bzw. können alle Bühnen neben einer persönlichen Ergebnispräsentation individuelle Beratungstermine in Anspruch nehmen, in denen sie Unterstützung bei der Umsetzung der empirischen Ergebnisse in konkrete Marketingmaßnahmen erhalten.

Die Publikation der Ergebnisse orientiert sich an den stringenten Vereinbarungen der an der Studie beteiligten Bühnen. Demnach steht jeder Bühne frei, ihre hausspezifischen Ergebnisse zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung bühnenübergreifender Ergebnisse bedarf des einstimmigen Einverständnisses aller Bühnen.

Die Umsetzung der Untersuchungsergebnisse der Besucherbefragung ist hausspezifisch sehr unterschiedlich.
Mehrere Bühnen haben unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse zum Informations- und Mediennutzungsverhalten ihre Mediapläne überarbeitet. Einige Theater sind aus bislang gemeinschaftlich finanzierten Projekt aufgrund des Nachweises geringer Wirksamkeit ausgeschieden. Andere Bühnen arbeiten an einer Veränderung ihrer Marketingmaßnahmen, insb. im Kommunikationsbereich und versuchen diese besser auf die unterschiedlichen identifizierten Zielgruppen abzustimmen oder sind mit „Wettbewerbern“ in Kontakt getreten um gemeinsame Marketingmaßnahmen zu entwickeln. Die Ergebnisse der Besucherbefragung werden darüber hinaus zur Akquisition und in Verhandlungen mit Sponsoren und öffentlichen Institutionen eingesetzt.

Die Besucherbefragung 2004 inkl. qualitativer Vorstudie wurde zur Hälfte durch Eigenmittel der Bühnen finanziert. Die Höhe der Eigenbeteiligung orientierte sich an den finanziellen Möglichkeiten eines jeden Hauses, wobei ein dreifach gestaffelter Tarif zwischen den Beteiligten vereinbart wurde. Ein Theaterbetrieb konnte sich kostenfrei an der Untersuchung beteiligen.Die andere Hälfte der Projektkosten wurden durch einen finanziellen Förderbeitrag des Landesverband Berlin des Deutschen Bühnenvereins abgedeckt. Die Besucherbefragung 2002 erfolgte ohne jegliche finanzielle Mittel, die Hamburger Untersuchung durch Eigenbeteiligungen der Bühnen zur Abdeckung der Fremdkosten, insb. der Datenerfassung.

Die Studien „Publikum im Rampenlicht“ sind in mehrfacher Hinsicht einzigartig:

Nie zuvor haben sich so viele Kulturbetriebe, die sich üblicherweise als „Wettbewerber“ verstehen, zu einer gemeinschaftlichen Befragung ihrer Besucher in einem solchen Umfang zusammen gefunden.

Zur Realisierung der Vision einer von mehreren Theatern gemeinsam getragenen regionalen Besucherbefragung waren monatelange Gespräche mit vielen Kulturbetrieben notwendig, um anfänglich bestehende Vorurteile und Bedenken abzubauen und Vertrauen aufzubauen.

Die Kooperation der Bühnen, insbesondere die Vereinbarungen über die Höhe der finanziellen Eigenbeteiligung, hat auch finanzschwachen Theaterbetrieben die Möglichkeit eröffnet an der Studie teilzunehmen.
Einige Theater haben dadurch zum ersten Mal ihre Besucher befragt.

Die Inhalte der Studie weisen eine für den Theaterbereich außergewöhnliche Breite und Tiefe auf.

Zwischen den an der Studie Beteiligten, häufig auch in Wettbewerb zueinander stehenden Bühnen, besteht eine vollständige Transparenz aller Ergebnisse. Dadurch sind auch betriebsvergleichende Datenanalysen möglich.

Die Untersuchungsergebnisse führen dazu, dass Theaterbetriebe ihre knappen finanziellen Ressourcen zielgerichteter und wirksamer einsetzen.

Die Studien haben bei einigen beteiligten Bühnen einen tiefgreifenden Umdenkungsprozess in Gang gesetzt, der langfristig eine stärkere Marktorientierung der öffentlich finanzierten Theaterbetriebe fördert.

Insgesamt handelt es sich um für die Darstellenden Künste richtungweisenden und impulsgebenden Untersuchungen, die dazu beigetragen haben, für Marktforschung in einer Branche Akzeptanz und Verständnis zu entwickeln, die bislang noch große Vorbehalte gegenüber empirischen Untersuchungen und deren Umsetzung hat.


Nachfolgend stehen einige Ergebnisse der Theaterstudien zum Download zur Verfügung. Ich bitte um Verständnis, dass an dieser Stelle leider weder Kommentierungen noch alle Ergebnisse öffentlich zugänglich sind.

Ausgewählte Ergebnisse der „Publikum im Rampenlicht“-Studien

Berlin 2004: Ergebnisse Berlin 2004.pdf

Hamburg 2005: Ergebnisse HH 2005.pdf

Beispielfragebogen: Fragebogen Berlin 2004.pdf


Semperoper Dresden 2003:
• Ergebnisse DD 2003.pdf
• Fragebogen DD 2003.pdf


Einstellungen und Verhalten von Schülern und Lehrern gegenüber Kulturangeboten, insb. Theatern 1999
• 
Fragebogen_Lehrer.pdf
• Fragebogen Schüler.pdf


Bevölkerungsbefragung zum Theater der Landeshauptstadt Magdeburg 1999
Ergebnisse Magdeburg.pdf


Veröffentlichungen (Auswahl)

Bühnenbesuche als Ausdruck des Träumens von einer menschlicheren, friedvollen Welt.
In: Theatermanagement aktuell, 32(8) 2004, S. 14 – 15.

Wahrnehmungsunterschiede bei Spielplänen – Ergebnisse einer Positionierungsstudie im Berliner Kulturmarkt.
In: Theatermanagement aktuell, 28(7) 2003, S. 8 – 9.

Grundlagen eines erfolgreichen Theatermarketing.
In: Donau, U.; Engert, K. & Nix, C. (Hrsg.), Das Theater & der Markt. Focus-Verlag, Gießen 1999, S. 47 – 62.